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Interview mit Ulrich Puppe anlässlich seines Eintrittes in den Ruhestand

Beim Abonnementkonzert am 4. Oktober 2024 in Herford haben wir uns im Namen des ganzen Orchesters und der NWD vom stellvertretenden Stimmführer der zweiten Geigen verabschiedet. Ulrich Puppe, der ein Liebling unseres Publikums ist, geht nach 39 Jahren bei der NWD in Rente und wir wünschen ihm dafür nur das Beste! Im folgenden Interview, das wir anlässlich seiner letzten Konzertreihe mit der NWD mit ihm geführt haben, stellt sich schnell heraus, dass er ein unverzichtbarer Teil des Orchesters war:


Wie lange warst du bei der NWD?
39 Jahre. Das war meine erste feste Stelle.

Wolltest du schon immer ein Geiger werden?
Ja, schon immer. Ich habe mit fünf, sechs Jahren angefangen Geige zu spielen, weil ich die Geige von meinem Vater gesehen habe. Dann habe ich mit dem Unterricht bei einem sehr guten Lehrer aus Bünde angefangen. Mit 14 bin ich Jungstudent an der Hochschule für Musik in Detmold geworden.

Das heißt dein Vater war auch Geiger?
Nein, er hat zwar in seiner Jugend Geige gespielt, aber mein Großvater hat als Dorfschullehrer in Tengern – das ist hier um die Ecke – Geige gespielt. Er war auch Organist in Schnathorst, wo er dann jeden Sonntag zu Fuß hingegangen ist. Ab und zu hat er uns dann mit der Geige etwas vorgespielt, da war ich sehr klein, aber ich habe es so immer noch in Erinnerung.

Also du warst dann der erste Profimusiker in der Familie?
Ja, genau, ich war der erste in unserer Familie. Für mich ist Orchestermusik immer interessant gewesen, schon als Kind und als Jugendlicher. Ich hatte einen Nachbarn, der mit klassischer Musik viel zu tun hatte und sich da selbst eine fantastische Anlage zurecht gebaut hat und super viele Schallplatten und Tonbänder besaß. Ich habe mich immer für klassische Musik interessiert und auch unglaublich viel Musik gehört und gesammelt.

Und die Oper war nicht so deins?
Zur Oper bin ich erst später gekommen als ich zwischendurch ab und zu als Aushilfe in Hannover und anderen Orten gespielt habe. Da lernt man dazu, guckt überall ein bisschen rein. Ich wollte Oper eigentlich nie spielen, weil ich dort den Kontakt zum Publikum vermisse. Es ist ein ganz anderes lebendigeres Erlebnis auf der Bühne mit der Präsenz des Publikums zu spielen als im Graben. Zudem haben wir hier im Sinfonieorchester ein viel größeres Repertoire an Stücken viel mehr abwechslungsreiche Programme und ständig wechselnde Dirigenten. Die Arbeit mit Wagner war natürlich ein Highlight, seitdem steht Wagner als Komponist bei mir ganz oben.

Wann und wie trifft man die Entscheidung, zweiter Geiger zu werden?
Ich bin kein erster Geiger. Ich bin ein zweiter Geiger und immer schon gewesen. Natürlich habe ich früher in den Jugendorchestern auch viel erste Geige gespielt, aber dann im Kammerorchester in Detmold hat sich das Interesse für die zweite Geige entwickelt, die ich dort auch fast ausschließlich gespielt habe. Es hat mir immer wahnsinnig viel Spaß gemacht – die ganzen Passagen und alles, was in der Mitte liegt; alles was an Begleitung da ist und wo man mit Harmonien, mit Phrasen die Musik formen und sehr beeinflussen kann.

Hast du eine Lieblingsmusikepoche oder einen Lieblingskomponisten?
Nein.

Gar nicht?
Okay… Mahler und Wagner finde ich unwahrscheinlich interessant zu spielen und zu hören. Die wären so die Highlights.

Was wirst du in deiner Rente aus deinem Berufsleben vermissen?
Alles was ich gerade erzählt habe. Mittendrin zu sitzen und an diesem ganzen Geschehen teilzuhaben und Musik miteinander zu machen. Einfach zusammen mit den Leuten zu spielen und aus den verschiedenen Klängen etwas Tolles herauszuholen und vor allem das alles mitzuerleben. Musik sind für mich nicht einfach nur die geschriebenen Noten, sondern viele Emotionen. Die werde ich mit Sicherheit vermissen.

Hast du schon Pläne für die Rente, vielleicht zu unterrichten?
Ich werde wahrscheinlich weiterhin ein paar Schüler unterrichten und hoffentlich noch die Gelegenheit haben zwischendurch gelegentlich in Orchestern zu spielen. Ansonsten möchte ich schöne Urlaube an verschiedenen Orten erleben.

In warmen Ländern?
Nein, nein, das muss nicht sein. Es gibt so herrliche Landschaften hier in der Umgebung. Und ich habe ein Faible für die Berge. Das ist einfach ein Gebiet, in dem man sich sehr gut erholen kann, sowohl im Winter beim Skifahren als auch im Sommer beim Wandern.

Ist Skifahren für dich als Geiger nicht gefährlich?
Genau deswegen wollte ich nicht gerne zu den Münchner Philharmonikern. Da war Skifahren in den 80er, 90er Jahren unter der Leitung von Celibidache strengstens untergesagt!

Also wenn, dann nur heimlich?
Nur heimlich [Lachen].

Was macht den Beruf eines Profimusiker anstrengend?
Der Beruf ist fürchterlich anstrengend. Erstens körperlich, du musst dich vorbereiten und so ein Konzert mit schwerer Literatur durchzuspielen ist schon anstrengend. Mein erster Geigenlehrer hat immer gesagt: „Uli, Geige zu spielen ist wie Fußball und Schach zusammen.“ Du musst körperlich fit sein, aber auch dein Gehirn anstrengen. Man bekommt aber natürlich im Laufe der Zeit mehr Routine, Überblick und Gelassenheit. Auf der anderen Seite, wenn irgendwas schiefläuft, wenn die Nerven nicht mitspielen können, du kennst eine Stelle wo es nicht klappen will – das ist so eine Sache, wo man einen Weg für sich selbst finden muss. Das Reisen an sich mit dem Orchester kann auch anstrengend sein, sowie auch die Zusammenarbeit mit einigen wenigen Dirigenten oder Unstimmigkeiten zwischen Kollegen. Aber das gibt es natürlich in allen Berufen. Im Prinzip muss ich aber sagen, dass wir bei uns im Orchester eine gute Kollegialität haben und der Zusammenhalt ist auch schon immer gut gewesen. Und das ist ganz viel Wert!

Die Routine, die man mit den Jahren bekommt – ist das etwas, was auch gefährlich sein könnte?
Zum Wort Routine… Es bezieht sich nur auf die technischen Fähigkeiten, auf die technischen Sachen, die ein Musiker braucht, um das Stück zu beherrschen. Routine darf nie das sein, dass du sagst „kenne ich schon, ich spiele es einfach so“. Routine darf nicht das sein, dass man Interesse an dem Stück verliert. Ich habe jetzt zum Beispiel bei der Sinfonie [Sinfonie  Nr. 4 von Mendelssohn Bartholdy, Anm. d. Verf.] zwischendurch wieder neue Sachen entdeckt, die zwar so in den Noten stehen, die man aber doch immer wieder anders interpretiert.

Welche Erlebnisse mit dem Orchester würdest du besonders hervorheben?
Schwere Frage. Wir haben wunderschöne Orchestertourneen in die USA und nach Japan erlebt, tolle Dirigenten zu Gast gehabt… Die Mahler Sinfonie mit Andris Nelsons ist natürlich etwas Herausragendes gewesen, das hat unwahrscheinlich viel Spaß gemacht. Und natürlich die spektakulären Events mit Sänger:innen wie Domingo, Pavarotti, Carreras, Netrebko, Damrau, Caballe um nur Einige zu nennen.